Laufsport · Sport und Beruf · Sport und Leben · sportpoetins Arbeit · Work-Life-Balance

Sightrunning: Schauen, was läuft

20180306_085228
Early Bird läuft über die Place des Vosges, Paris (photo: Nic Leonhardt)

In meinem Hauptberuf als Wissenschaftlerin mit einem internationalen Arbeitsbereich komme ich nicht umhin, oft und manchmal weit zu reisen. Forschungsaufenthalte in fremden Städten oder Ländern gehören ebenso dazu wie Konferenzreisen nach Nah und Fern. Ich mag das, trotz der Strapazen, die dies auch mit sich bringen kann: schon wieder Packen, lange Flüge oder Fahrten, Jetlag, anderes Klima, Abweichen von meiner üblichen Ernährung, unbekannte Verkehrsnetze, Zeitverschiebungen, – von den kulturellen Unterschieden in Alltag und Geschäftspraxis nicht zu reden.
Da Sport zu meinem Tagesprogramm gehört wie Zähneputzen, Kaffee trinken und Schlafen, habe ich immer ein Physio-Band im Gepäck und mein Yoga-Programm im Kopf. Alternierend beginne ich den Tag mit einer Gymnastik mit dem Band oder einem Yoga-Flow. Ohne geht es eigentlich nicht. Schwimmen ist oft schwierig, Radfahren nicht immer empfehlenswert. Bleibt noch Laufen. Aber wie und wo geht das in unbekannter Umgebung, wenn man das Laufband im Hotel nicht mag – falls es überhaupt eines gibt?

P1030773
Walk/ Don’t Walk. (photo und Verfremdung: Nic Leonhardt)

Seit mir einmal auffiel, dass ich, wenn ich dienstlich reise, oft nur den Weg vom Hotel zum Tagungs- oder Forschungsort (Archiv, Bibliothek, Meeting-Räume) kenne, auch wenn ich in den schönsten Städten unterwegs bin, die meine Freunde und Andere als Touristen bereisen, habe ich immer meine (leichten und leicht zu verstauenden) Laufschuhe dabei und fröne jeden zweiten Tag dem Sightrunning, dem Laufen entlang von Sehenswürdigkeiten oder „Sehenswertem“, einer Mischung aus Bewegen und Touristin-Sein. So komme ich zu meinem geliebten Lauf UND bekomme die Umgegend zu sehen. Ich besichtige also joggend den jeweiligen Aufenthaltsort. Das macht großen Spaß und gefällt mir besser als eine geführte Tour (zu der ich, davon mal ganz abgesehen, auch gar keine Zeit hätte). Neben dem Training hat Sightrunning den erfreulichen Nebeneffekt, dass ich mich besser in der fremden Gegend zurechtfinde, auskundschaften kann, wo es Märkte, Banken, Post, Theaterhäuser gibt – und an den namensgebenden Sehenswürdigkeiten des Sightrunning komme ich je nach gewählter Route auch vorbei.

 

Viele Städte weltweit haben erkannt, dass diese Kombination vielen Läufern auf Reisen gefällt. So gibt es eigentlich in jeder größeren Gemeinde auch organisierte Angebote von Firmen oder Einzelunternehmen für Sightrunning-Touren unterschiedlichen Niveaus und unterschiedlicher Länge, und natürlich unterschiedlicher Besichtigungsinteressen.* Weil ich flexibel sein muss und möchte, wähle ich mir aber immer meine eigenen Routen: entweder laufe ich einfach los (und Gefahr, mich auch einmal zu ver-laufen) und schaue mich laufend um, oder ich spähe vorher eine Strecke oder ein Ziel aus, etwa eine Kirche, ein Theater, eine Markthalle, einen Flussabschnitt oder dergleichen.

Ich laufe meistens morgens, um für den Tag wach und gewappnet zu sein. Am liebsten noch vor den üblichen Büro- und Ladenöffnungszeiten. Dann, wenn die Kinder zur Schule aufbrechen, die Straßen noch gefegt werden, die Bäckereien den schönsten Duft verbreiten, man noch das Gekreische von Vögeln hört, bevor der Verkehr überhand nimmt. Herrlich ist das!  Manche bevorzugen den Lauf am Abend, zum Abschalten oder zur Belohnung nach einem Diensttag in der Fremde. Es hat zweifelsohne auch einen besonderen Reiz, sich in einer Feierabendstimmung die Beine zu vertreten, umringt von anderen Feierabendgelaunten oder Gassi gehenden Bewohnern des Gastortes und lokalen Joggern.

Egal wie gestaltet, ist Sight-Running für lauffreudige neugierige (Geschäfts-)Reisende eine super Sache. Und „Schau-Laufen“ bekommt hier eine ganz neue Bedeutung.

20180511_093308
Unverkennbar New Yorks Skyline. Aufgenommen beim Morgenlauf im Central Park, Ufer des Jacqueline Kennedy Onassis Reservoir.  (photo: Nic Leonhardt)

 

_________________

*) Die Angebote am besten durch Eingabe der Suchbegriffe Sightrunning und Zielort/ -region online recherchieren. Ich kann hier keine Empfehlungen aussprechen. Die Vielzahl der Angebote ist enorm; Reisepläne und Vorlieben zu individuell.