Sport-Flirt · Tennis

Das Gelbe ist die Ball

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Manche guten Dinge gehen, damit sie irgendwann wiederkommen können. Vokuhila-Haarschnitte gehören nicht unbedingt dazu, Karottenjeans auch nicht. Aber, um bei den achtziger Jahren zu bleiben: der Tennissport. Wenn ich zu meinem Haus- und Hof-Park jogge, laufe ich immer am Tennisclub Grün-Weiss Luitpoldpark vorbei und schwelge in Erinnerungen an meine ersten Versuche auf dem Platz mit Christian oder David oder Michael oder … Sie spielten super, ich noch hölzern, aber das war egal. Im Rückblick war mir damals schon klar, dass Sport und Liebelei nicht selten ein gutes Match ergeben. Wir waren in der Sexta damals. Lang, lang ist’s her. …

In meiner aktuellen Heimatstadt München hat sich jetzt aus Nostalgie mit zeitgenössischem Anstrich der White Club gegründet; eine ziemlich coole Sache, ein Tennis-Club für den Tennisballdynamo in Dir, weniger für den Club-Schnösel, über den aktuell nicht nur die regionalen Medien berichten. So viel gegenwärtiges Tennisspiel gab Anlass für Erinnerungen an meine frühen Ambitionen, Tennis-Profi zu werden. Die Geschichte wollt’s, die Geschichte schrieb sich dann anders. Aber lest selbst.

Das Gelbe ist die BallTennisball

Es war einer dieser verregneten Sonntage in den Achtzigern, an denen die Familie nichts Besseres zu tun hatte, als gemütlich auf dem Sofa zu hocken und fernzusehen. Wobei fernsehen die Sache nicht ganz trifft: wir litten wie in Käfighaltung, weil Steffi Graf gerade im Begriff war, ihr entscheidendes Match zu verlieren. All das Fiebern half nichts: Sie verlor. Unsere Steffi musste am Ende einer Gegnerin die Hand reichen, die mein Idol in den Wahnsinn gestöhnt hatte.

Noch schlimmer jedoch als Steffis Schmach waren die traurigen Augen meines Vaters. Er hätte ihr den Sieg so gegönnt …

Ich reagierte instinktiv und ohne Umschweife mit dem Ziel, diesen Fauxpas an der Weltspitze zu rächen und den deutschen Tennissport zu retten: „Papa, ich will Trainerstunden“. Was staunte er – und genehmigte! All die Trauer um Steffis Blamage war erstmal im Aus.

Schon ein paar Tage später bewegte ich mich in Richtung Tennishalle, ausgerüstet mit einem textilen Potpourri aus Steffi Graf-Tennistasche und Ivan Lendl Polo-Shirt, blaues Röckchen, Hallenschuh und den Pferdeschwanz dazu. Ich sah schon wie ein Profi aus und war entschlossen, es der Welt zu zeigen. Vom pubertierenden Nichts zur flinken Ball-Fee, die sich in die Herzen der Couch-Potatoes spielen würde! …

„Ciao, Bella“, mein Trainer war schon da und breitete ein Arsenal von Schlägern auf dem Boden aus. Wir stellten einander vor:

„Ich heiße Giovanni, hast schon mal gespielt?“

„Nee, nur Federball.“

„Allora, dann mal los“.

Federleicht waren die Bälle nicht gerade, und es machte immer so laut „plopp“, wenn der Ball die Saiten traf. Und warum spielte Giovanni die Bälle unberechenbar mal hierhin, mal dorthin? Sollte das eine Hetzjagd werden? Hatte der kein Augenmaß? Und die Linien des Platzes waren, so war ich mir sicher, falsch eingezeichnet: zu lang, die Dimensionen stimmten nicht. Aber meine Koordinationen: Die Vorhand spielte ich mit links, für die Rückhand brauchte ich zwei Hände, ich bekam alle Bälle, die ins Aus flogen. Und mit dem Aufschlag irritierte ich den Gegner: Ball ins Netz, Ball nach links, Ball nach hinten, Schlag für Schlag, Stunde für Stunde. Plopp für Plopp. Ich machte es meinem Trainer unmöglich, den Ball zu kriegen – und meinem Schläger auch …

Eines Tages suchte Giovanni nach der Stunde das Gespräch: „Wir müssen reden, Amica –.“

Ein Blick. Ein Augen-Aufschlag.

„Signorina, deine Augen sind so grün wie das Netz“.

Ich wurde rot wie der Platz.

„In Tennis …, schau mich an!“

Sein Haar war schwarz wie die Nacht –

„In Tennis, es gibt Regel, bella Donna …“

– und seine Augen wie Tollkirschen !

„In Tennis, Signorina, in Tennis das Gelbe ist die Ball.“

Was soll ich sagen: In der Folge stellte Giovanni immer häufiger die Ballmaschine an und überließ mich meinem Ehrgeiz.

Steffi Graf gewann wieder. Meine Mission hatte sich erledigt. Ivan Lendl stieg aus. Aus dem Röckchen wuchs ich raus. Ein Jahr später bekam ich eine Brille. Ich sah mehr, als ich je zuvor gesehen hatte.

Nur Giovanni sah ich nicht mehr.

Ich hörte nur, sein Haar sei jetzt grau.

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